BELLA ´s Geschichte – Teil 2
Mein Outing
Vorwort: Als trans Menschen gibt es nicht nur das eine Outing, es ist vielmehr ein dauerndes outen. Ob bei Versicherungen, Ärzten insbesondere die MFA’s, Behörden und Institutionen. Ganz zu schweigen von den Banken, eine Katastrophe und Homophobie nach der anderen.
Bei jedem neuen Kontakt muß man die Änderung von Deadname zu neuem Namen erstmal erklären, meistens so, daß es eine Menge Leute mitbekommen wie im Wartezimmer oder im Eingangsbereich von Behörden oder Bankschalter.
Wie kam es nun zu meinem eigentlichen Outing
Seit etlichen Jahren trage ich zu Hause ausschließlich Kleid, in den gemeinsamen Urlauben Weibliche Kleidung und unter eher Rosa und Pink gehaltener Business Kleidung immer etwas weibliches. Zumindest seit ich 39 geworden bin, da ich zu dieser Zeit bereits an leichten Depressionen litt, die vom Umfeld als verfrühte Midlife crisis abgetan wurden. Ich hingegen stellte mir zu dieser Zeit jedoch die Frage, war das alles in deinem Leben, kannst du nochmals 40 Jahre im Hamsterrad verbringen und deine Gefühle weiter unterdrücken? Ich versuchte den Spagat zwischen den beiden Welten. Beruflich lief es immer schlechter, ich habe versucht mich mehr für meine Bedürfnisse einzusetzen, was mich 2018 in lange Arbeitslosigkeit stürzte und ich zu guter letzt dann das este mal auch ohne staatliche Unterstützung dastand. Durch ein auferlegtes Coaching der Arge wurde zunächst versucht, mich wieder auf den männlichen Kurs zu bringen. Ich sträubte mich immer mehr, bis ich mich schließlich einer empathieschen Personaltrainerin anvertraute. Diese verstand mich und mein Zwiespalt sofort, und bot auch nach einigen Gesprächen an, im privaten das Thema zusammen mit meiner Frau zu erörtern. Mein Frau verstand das Thema so langsam, war aber wegen des Gesellschaftlichen Drucks eher reserviert und zögerlich, jede weitere weibliche Kleinigkeit musste ich ihr abringen. Waren es Schuhe mit kleinen Absätzen, Damenblusen etc.
Kurz gesagt, meine Frau kannte das Thema.
Wie bereits beschrieben, landete ich auf der Intensivstation was mich zum Umdenken brachte. Bereits dort habe ich mich als erstes vor meiner Frau geoutet, daß wenn ich die Vergangenheit aufarbeite, ich es auch nicht mehr Verheimlichen möchte, meine Gefühle und Gedanken nicht mehr unterdrücken kann. War gefühlt für sie nicht ein riesen Schock, denn das Thema war in unserer lange anhaltenden Ehe schon länger bekannt. Auch habe ich meinen Eltern bei ihrem Krankenhaus Besuch versucht nahe zu bringen, daß meine Weibliche Seite nun aus mir raus muss. Ich stieß einmal mehr auf taube Ohren. Trotz meiner Erkenntnisse war ich sehr unsicher, habe nur ganz vorsichtig den einen oder anderen eingeweiht, immer nur in einzel Gesprächen.
Aufgrund der eher Ländlichen Gegend in der ich wohne, fand ich erst nach dem zweiten Anlauf, ein großes Stück weck von meinem Wohnort, Psychologische Hilfe, die sich mit der Materie und Depressionen auskannte.
Ich saß nach der ersten Sitzung nun zu Hause am Esstisch, grübelte, überlegte, gehe ich nun den Schritt ganz oder versuche ich erneut ein Mittelweg zu finden und nur das direkte Umfeld einzubinden. Auf anraten meiner Ehefrau erstellte ich eine Pro und Contra Liste. Ich fühlte doch so, warum Zweifel ich oder war es nur die Angst vor dem Umfeld. Ich erstellte diese Liste, komischerweise fanden sich auf der Contra Liste nur andere Leute, kein einziges „Ich“
Angeführt von Eltern, Arbeitgeber, Freundeskreis der Kinder und Frau,Verwandtschaft, Fußballfanclub.
Irgendwann kam der magische Satz von meiner Frau “ wenn du es wirklich so fühlst, wenn dich nur andere davon abhalten, dann
steh endlich mal für dich ein, gehe diesen Schritt, damit du mal wieder glücklich wirst. Ich gehe mit Dir, soweit ich kann, und für uns beide finden wir schon eine Lösung, mit der wir das hier halten können.“
Immer noch zögerlich über die Aussage meiner Frau, habe ich dann zuerst mein ältestes Kind, ins Gebet genommen, abends dann den Jungspund. Beiden habe ich Erklärt, wie ich mich fühle, dass ich immer schon anders fühle und wie ich mir das vorstelle, daß wir Eltern versuchen, zusammen zu bleiben, vielleicht nicht als Liebespaar, aber als häusliche Gemeinschaft um weiterhin für die Kinder da sein können.
Vorbereitet durch zwei Psychologinen und Frau, habe ich mir den ganzen Mut zusammen genommen, und mich meinen Eltern offenbart. Was dann passierte, hätte ich nicht in meinen schlechtesten Träumen ausmalen können. Trotz daß ich sie die Wochen davor für das Thema Weibliche Seite in mir sensibilisierte, vielen folgende Worte „jetzt bist ganz am Arsch“; “ was sollen die Nachbarn denken“; “ das kannst du nur verstecken, nicht ausleben“; „hättest Dich mal lieber vor den Zug geworfen“ Ich habe ihnen immer vertraut, trotz daß sie für meine Depressionen verantwortlich waren, Einmischungen in Leben, Ehe, und Kindererziehung immer wieder verziehen.
Nun musste ich hier weg, den Ort dieser grausamen Worte verlassen. Spätestens hier bin ich ganz zerbrochen, ich habe die Welt nicht mehr verstanden, an ihr und mir gezweifelt. Ohne Rückhalt von Frau und Kindern wäre ich hier ein weiteres Mal komplett abgestürzt, aber zerbrochen . Ich hatte wieder diese Gedanken, hätte ich es nur beendet.
Ich habe den Kontakt zu den Erzeugern einschlafen lassen, als es meine Mutter immer noch nicht kapiert hatte, habe ich sie per Messenger an die Worte erinnert, die bei dem Outing gefallen sind, ebenso an die Taten und das wegschauen der Vergangenheit, und eine Stellungnahme gefordert. Auf die Antwort warte ich noch heute, was mich dazu veranlasste, vor Weihnachten per Brief einen Schlussstrich unter dieses Kapitel zu setzen.
Von nun an bin ich die Sache Vorsichtiger angegangen. Ich habe zuerst einzelne Personen sowohl aus der Verwandtschaft wie auch im Freundeskreis ins Vertrauen gezogen. Gut überlegt, wer dafür zugänglich sein könnte, wer mir den Rücken stärken könnte, wer zu mir hält wenn es darauf ankommt.
Ich habe den Kreis immer größer gezogen, was Corona bedingt nicht immer ganz einfach war. Adressen und Mitgliedschaften mit dem Ergänzungsausweis, der dgti, aktualisiert, auch beim größten deutschen Fußball Verein, denn dies war zugleich mein Einstieg, mich im Verein, für den ich tätig bin zu Outen. Im Vorfeld hatte ich auch bereits einzelne Personen davon ins Vertrauen gezogen, denn die gehören sowohl zum Familienkreis als auch zum Fanclub. Anschließend habe ich bei meinen Vorstandskollegen die „Beichte“ abgelegt, mein Amt zu Verfügung gestellt, falls es deswegen nun ein Problem werden sollte. Trotz Bedenken und ja, auch Vorurteile meinerseits, war das gar kein Problem. Fußball verbindet also doch.
Es gab danach immer wieder Begegnungen hauptsächlich beim Einkaufen (Corona ist immer noch) mit Leuten die ich zwar kannte, jedoch wenig bis selten Kontakt habe. Kleinstadt bzw. Dorfleben. Das ist mir irgendwann so auf den Zeiger gegangen jedesmal ist das wieder ein Thema, jedesmal all diese Erklärungen, daß ich nach Rücksprache mit meiner Frau und der Psychologin einen großen Wurf, quasi einen Paukenschlag gemacht habe. Wegen den Kontaktbeschränkungen und auch weil es einfacher war über die Social-Medien sowie über den Buschfunk im örtlichen Blumenladen und Metzgerei. Somit hatte ich nun eine große Menge Leute erreicht, musste es nicht jedem aufs neue Erklären. Waren zwar drei/vier turbulente Wochen mit Nachrichten, Facebook Anfragen, Instagram Kommentare und Telefon anrufen, aber Rückblickend gesehen, war das die richtige Entscheidung, damit nun Ruhe in mein Leben einkehrt und ich mich den wichtigen Themen der Transition wie Gericht, Logopädie, Psychotherapie widmen kann, aber auch der gesundheitlichen- und finanziellen Absicherung der Familie widmen kann.
Zusammengefasst haben ich „nur“ Eltern, Bruder, und Verwandte die zu meinen Eltern halten, verloren. Im Freundeskreis war es niemand auch nicht in dem meiner Frau oder Kinder, lediglich ein alter Arbeitskollege zu denen ich eh kaum noch Kontakt pflegte, hatte sich abgewendet. Was mich zu dem Schluss kommen lässt, hauptsächlich Männer über 60 Jahren, MFA’S und Bankangesrellte haben ein Problem mit trans Menschen.