Gedanken zum Weltkindertag am 20. September 2022
„Wie soll ich das wissen, wenn ich es noch nie versucht hab?“
(Astrid Lindgren, Pippi Langstrumpf, in Pippi geht einkaufen (Pippi Langstrumpf geht an Bord)
Für Kinder mit Trans*biografie ist es ein stückweit Normalität, dass sie Dinge gefragt werden, die für sie selbst, selbstverständlich sind. Die Forderung an diese Kinder, sich erklären zu müssen, ihr Sein in Worte zu fassen scheint für die Erwachsenen, selbstverständlich. Privatsphäre, Intimsphäre, all das wird immer wieder ausgehebelt und missachtet, (verbale) Übergriffigkeit von uns „Großen“ ist Alltag. Partizipative Bestrebungen in pädagogischen Institutionen fallen häufig der alltäglichen Zeitnot und personeller Unterbesetzung zum Opfer. Adultismus gehört in unserer Gesellschaft zum selbstverständlichen Umgang mit Kindern und Jugendlichen.
Wenn nicht-binäre oder transidente Kinder und Jugendliche ein Coming-out haben, wollen Erwachsene verstehen und nachvollziehen, wieso diese so empfinden, wie sie das tun. Aber zu viele Fragen können sprachlos machen und das Gefühl des Anderssein und nicht dazuzugehören verstärken. Fragen wie, „wieso willst du ein Junge oder ein Mädchen sein“ zu beantworten, fällt in Kinderworten so schwer und entspricht nicht deren Lebenswelt. Denn sie wollen das nicht sein, sie sind es! Wie also erklärende Worte finden, wenn die Erwachsenenwelt diese den Kindern nicht anbietet und durch erzieherische Stereotype sich die Sorge, nicht in die erlernten Schemata zu passen, schon große Ängste verursacht.
Trans*Kinder brauchen Worte zur Selbstbeschreibung, sichere (soziale) Räume, um für sich zu entdecken, was Trans*sein konkret für sie bedeutet, Liebe, Geborgenheit und Erwachsene, die nicht gegen sondern für Sie und mit ihnen arbeiten.
Zum Weltkindertag wünsche ich Kindern mit Trans*hintergrund Erwachsene, die ihnen helfen, ihr Sein in Worte zu fassen, sich schützend vor sie stellen, wenn sie (wieder einmal) bedrängt, ausgegrenzt, körperlich angegangen und diskriminiert werden.
Ich wünsche ihnen ein sicheres Zuhause, Freund*innen, die sich nicht darum scheren, welches Genital sie haben, einen Verein, der sich darüber freut, dass sie mit im Team sind, Erzieher*innen, Lehrer*innen, Kinderärzt*innen… die das Kind in seinem Sein unterstützen und sachlich mit einem Coming-out umgehen können, tolle Geburtstagspartys und alles, wovon sie selbst träumen.
Ich wünsche Ihnen, dass sie umgeben sind von Menschen, die ihnen geduldig zuhören und alles dafür tun, dass sie in einer selbstbestimmten, respektvollen, gesunden, erfüllten, offenen, diversen, spannenden und gut gelaunten Umgebung aufwachsen und sich entwickeln können; ganz in ihrem Tempo, mit ihren eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten und mit ihrer ganz eigenen Identität!
Ich möchte meinen kleinen Appell auch mit einem Zitat von Astrid Lindgren beschließen, in der Hoffnung, dass es vielen Kindern mit Trans*biografie genauso ergehen wird:
„Wunderbar! Bezaubernd!“
,,Was findest du so bezaubernd?“, fragte Tommy.
,,Mich“, sagte Pippi zufrieden.”
(aus Pippi Langstrumpf geht an Bord)