LGBT*IQ+ Menschen und Behörden

– ein fachliches Problem! Oder? 

Menschen mit LGBT*IQ+ Hintergrund haben es in Deutschland nicht leicht. Auch in der heutigen Zeit gibt es trotz Aufklärung immer noch sehr viele Menschen, die nicht begreifen oder verstehen können. Dazu kommt noch der Ausbildungsstand der Mitarbeitenden in Ämtern und Behörden, die, wenn sie nicht gerade in ihrem privaten Umfeld Menschen mit LGBT*IQ+ Hintergrund oder sich durch Aufgeschlossenheit selbst fortgebildet haben, in ihrem Wissens- und Ausbildungsstand oft 15 Jahre oder mehr zurück hängen und dann mit einer Situation völlig überfordert sind. 

Hierbei ist auch ein sehr starkes Nord-Süd-Gefälle festzustellen, ebenso wie zwischen den Ballungszentren der Städte und dem dünner besiedelten Land. Leider muss man sagen, dass die Akzeptanz stark nachlässt, je weiter wir aufs Land hinauskommen, weil hier die Aufklärungsquote gleich null ist. 

Wir stellen hier anhand eines tatsächlich passierten Vorfalls ein Beispiel vor, was passiert, wenn Ämter und Behörden mit konservativer Einstellung und ländlichen Vorstellungen mit offenen Menschen zusammen treffen. Daraus kann eine sehr gefährliche Situation für LGBT*IQ+ Menschen entstehen – was hier leider auch passiert ist. 

Bayern – West Allgäu – Landkreis Lindau: 

Laut einer Umfrage von 2016 in Deutschland sind rund 7,4% der Bevölkerung der LGBT*IQ+ Szene zuzurechnen. Das bedeutet, dass allein im Landkreis Lindau damit gut 6.000 Einwohner dem Bereich LGBT*IQ+ zuzurechnen sind. Laut den letzten Studien aus dem Jahre 2020 sind es sogar mehr als 10%. (1) 

Was hat diese Information mit unserem Fallbeispiel zu tun? Wenn das Lindauer Jugendamt gegenüber Menschen behauptet, dass es „sowas“ beim Jugendamt und im Landkreis noch nicht gegeben hat (hier geht es um einen transgeschlechtlichen Menschen), dann kollidiert diese Aussage mit den genannten Studien doch gewaltig. 

Aber nun von Anfang an: 

Vor gut vier Jahren wurde eine Familie zum Jugendamt zitiert, hier speziell Vater und Mutter. Ohne Angabe von Gründen mussten sie zu einem festgelegten Termin erscheinen, auf ihre Rückfrage worum es gehe erhielten sie vom Jugendamt keine Auskunft. Als die Eltern dann den Termin wahrnahmen, wurden sie mit den folgenden Worten begrüßt: „Sie wissen schon, dass die Suizidrate bei queeren Jugendlichen überproportional hoch ist?“ 

Keine ordentliche Begrüßung, nur ein aus dem Raum gegriffener Vorwurf, der sogar noch weiter ging. Das Jugendamt unterstellte den Eltern, ihr Kind zur Transidentität zu zwingen, das wäre nach einer anonymen Meldung so Fakt. 

In dem ganzen Gespräch, das uns geschildert wurde, wurde nicht einmal auf die Situation oder die Eltern eingegangen. Statt dessen wurden die Eltern mit Anschuldigungen, Vorwürfen und Unterstellungen überhäuft. Die Eltern sagten dem Jugendamt Zusammenarbeit zu, und dass sie Nachweise erbringen werden, dass ihr Kind tatsächlich transgeschlechtlich ist. – Das muss man sich mal vorstellen: die Eltern wurden dazu verpflichtet Nachweise zu bringen, dass ihr Kind trans* ist – 

Auch wollte das Jugendamt die Kontrolle und Koordination der Sache übernehmen, obwohl während des Gesprächs folgender Satz gefallen war: „im Landkreis Lindau gibt es sowas nicht und das ist auch noch nicht vorgefallen, das kann gar nicht sein“. Dies verweigerten die Eltern und forderten eine klare Begründung, warum sie das Wohl ihres Kindes in die Hände des Jugendamts legen sollten, wenn dieses doch keine Erfahrung mit der Thematik habe. Die Antwort: „wir haben so einen Fall noch nicht gehabt und kennen uns damit nicht aus, aber wir werden schon das richtige tun“, führte nicht zu einer Entscheidungsänderung der Eltern! 

Vielleicht sollte dazu gesagt sein, dass die Familie von Beginn an das Kind nach seinem Coming-Out unterstützt hat und dem Kind fast postwendend psychologische und ärztliche Betreuung an die Seite gestellt hat, um das Kind zu begleiten und zu leiten. Eben damit die Transition langsam und geordnet abläuft und damit nicht irgendwelche fachlich nicht ausgebildeten Dritten die Möglichkeit gegeben wird, das Kind zu manipulieren und mit ihm zu experimentieren. 

Das Jugendamt versuchte weiterhin, in irgendeiner Weise nachzuweisen, dass die Eltern das Kind zur Transidentität zwingen. Diese Versuche wurden vom obersten Leiter des Landkreises Lindau sowie dem ortsansässigen Bürgermeister und zum Teil von Lehrkräften der Schule, die das Kind besuchte, unterstützt und gefördert. Es war ein halbjähriger Spießrutenlauf für die Eltern und das Kind.
Nachdem es den Eltern zu bunt geworden war und sie um die gesundheitliche Sicherheit ihres Kindes fürchteten, brachen die Eltern die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt ab, auch weil das Jugendamt an den Grenzen einer Konversionstherapie arbeiten wollte. 

Im Verlauf dieser Situation schreckte das Jugendamt nicht davor zurück, die Eltern in einem Verfahren vor das Familiengericht zu bringen. In diesem Zuge wurde ihrem transidenten Kind eine vom Gericht bestimmte Rechtsanwältin zur Seite gestellt, die leider ebenfalls nicht über das Thema Transgeschlechtlichkeit informiert war. 

Zu diesem Zeitpunkt hatten die Eltern bereits mehrfach versucht, ein Gespräch mit dem obersten Vorgesetzten des Jugenamtes, dem Landrat, bezüglich der Situation zu erhalten. Dieser verweigerte sich jedoch beziehungsweise beantwortete nicht einmal die Schreiben. Auch Dienstaufsichtsbeschwerden gegen die Mitarbeitenden des Jugendamts nützten nichts. Es wurde weiter gegen die Familie gearbeitet. Diese ließ sich trotz aller Widrigkeiten nicht unterkriegen und ging den Weg des TSG mit ihrem Kind. Die Personenstandsänderung nach TSG beantragten die Eltern für ihr Kind, um dieses vor weiterer Diskriminierung zu schützen. 

Hierbei müssen zwei unabhängige, fachlich seit Jahren mit diesem Thema beschäftigte Ärzt*innen und/oder Psycholog*innen nach einer Begutachtung des Kindes bestätigen, dass es tatsächlich transident ist und sich daran in Zukunft auch nichts ändern wird. Die Diagnose dazu lautet F64.2. Anschließend muss auch ein*e Richter*in zum selben Ergebnis kommen, damit die rechtliche Transition wirksam und rechtsgültig wird. 

Im vorliegenden Fall befanden sowohl die Gutachter*innen als auch der zuständige Richter am Amtsgericht in München, dass das Kind der Antragsteller wirklich transident ist, und die Änderung des Personenstands und des Vornamens wurde per Urteil genehmigt. 

Während des laufenden TSG Verfahrens fand auch der Termin vor dem Familiengericht in Lindau. Hierbei wurde wegen Kindeswohlgefährdung verhandelt, da das Jugendamt weiterhin behauptete, die Eltern würden ihr Kind zur Transidentität zwingen. 

Dieser Termin endete mit einer Niederlage für das Jugendamt. Die Richterin sagte, nachdem sie sich die Darstellung aller Beteiligten angehört hatte, dem anwesenden Mitarbeitenden des Jugendamt klar, er solle die Familie in Ruhe lassen, da sie alles möglich machen, was gesetzlich und gesundheitlich für das Kind wichtig ist. 

Das Jugendamt, die dem Kind beigestellte Rechtsanwältin und der Landrat verweigern dem Kind bis heute noch immer die Ansprache mit dem seit dem Urteil des Amtsgerichts München rechtlich gültigen Namen und Personenstand, in Schreiben an die Familie wird noch immer der Deadname verwendet. 

Inzwischen wurden mehrfach Dienstaufsichtsbeschwerden und sogar Anzeigen als unbegründet zurück gewiesen, was für uns nicht nachvollziehbar ist, da eindeutig gegen gesetzliche Vorgaben verstossen wurde, und vor allen das gesundheitliche Wohlergehen des Kindes unserer Mitglieder gefährdet wurde und wird. 

Bis heute werden die Eltern überwacht, Ihnen Steine in den Weg gelegt. Auch uns als Verein, in dem diese Eltern Mitglied sind, wird seit Beginn an alles so schwer wie nur möglich gemacht. Grundlegenden Rechte, wie z.B. 

die Aufnahme in das örtliche Vereinsregister, müssen wir uns aufwändig erkämpfen und wir müssen immer wieder mit Diskriminierung, Unterstellungen und Falschaussagen leben. 

In unserer ach so aufgeklärten Gesellschaft kann man solch eine Geschichte kaum glauben. Doch leider sind es immer wieder diese Einzelfälle, die Menschen schädigen, die Familien zerstören und die Kinder und Jugendliche in den Suizid treiben, weil ihre Meinung nichts wert ist, wenn sie nicht den gesellschaftlichen Normen entspricht. 

Wir appellieren dringend an die Verantwortlichen, sich fachlich fortzubilden und mit den Organisationen vor Ort zusammen zu arbeiten.
Wir zum Beispiel engagieren uns mit unserer Beratungsstelle, mit der Zusammenarbeit mit verschiedenen größere Vereinen und Verbänden und vor allem in der Mit-Initiierung des Queeren Netzwerk Bayern, das auch durch die Bayerische Staatsregierung unterstützt wird. 

Aber solange die Gesetzgebung nicht dafür sorgt, dass die zuständigen Stellen und Personen, wie Lehrer*innen, Jugendämter und die zugehörigen Behörden nicht fachlich qualifiziert ausgebildet werden, wird es immer wieder dazu kommen, dass Menschen hier andere Menschen diskriminieren, ja sogar gefährden, weil sie ohne fachliche Qualifizierung mit ihren oft sehr privaten Ideologien an anderen Menschen handeln dürfen. Das zeigt unser Beispiel sehr genau, und das ist nicht das Einzige in Bayern. Versucht man hier, gegen diese Behörden oder einzelne Personen vorzugehen, trifft man auf eine Mauer des Schweigens, des Herunterspielens, und bewegt sich in gesetzlichem Niemandsland, so dass diese Menschen handeln dürfen, ohne dafür in die Verantwortung genommen zu werden oder Konsequenzen fürchten zu müssen. Das kann so nicht sein! 

Quellenangabe (1) Queer.de 

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