Bella Teil 3 – Der Weg mit der Familie

Immer wieder hörte ich in dem vergangenen Jahr, wie toll es ist, mit der Partnerin und den teilweise erwachsenen Kindern zusammen zu bleiben. Es sei schließlich nicht normal, dass eine Partnerin an der Seite bleibt, wenn man eine Transition beginnt. Auch wenn es im ersten Moment egoistisch klingt, es einige nicht oder falsch verstehen, ich wäre sehr enttäuscht gewesen, wenn sich meine Frau komplett von mir abgewandt hätte, ich hätte es nicht einfach akzeptiert, es wurde aber von Anfang an klar mit ihr besprochen. Ich weiß, es liest sich egoistisch, aber wäre es nicht auch egoistisch von der Partnerin, nach über 20 Jahren Ehe, in der sie fast von Anfang wusste, dass es noch eine andere Seite in mir gibt, mich einfach zu verlassen, zudem, wie Ihr bereits in anderen Teilen des Blogs gelesen habt, sie diejenige war, die meine weibliche Seite immer etwas ausgebremst hat. Dennoch war sie schlussendlich auch die ausschlaggebende Person, die mit ihren Worten mich von dem binären, gesellschaftlichen Zwang entbunden hat und den Weg für mich in ein neues, selbstbestimmtes, weibliches Leben frei gemacht hat. Ja ich gebe zu, ich erwartete, daß ich auf diesem Lebensabschnitt von ihr nicht ganz alleine gelassen werde. Nach 24 Jahren Ehe, in der wir durch viele schöne Momente, aber auch durch so manche dunkle Tiefen gegangen sind, finanzielle aber auch gesundheitliche Rückschläge überwunden haben, konnte und wollte ich das nicht einfach aufgeben. Hätte sie es nicht mehr gewollt, wäre ich ihr jedoch niemals im Wege gestanden, hätte zusammen mit ihr nach Lösungen gesucht, vielleicht doch zumindest unter einem Dach zu wohnen. Dennoch höre ich auch von ihr oft, schau, ich begleite Dich, andere wurden verlassen. Ich sehe das ganz anders, mehr dazu weiter unten.

Was ändert sich denn genau, wenn ich die Transition beginne. Der Mensch bleibt der selbe nur die äußere Hülle ändert sich, habe ich so oft gehört, selbst von meiner Frau. Aber meiner Meinung nach ändert sich außer dem Herzen und der Seele wirklich alles, zumindest ist dies bei mir so. Vom Aussehen über Interessen, Vorlieben, Sichtweisen, der Bezug zum eigenen Körper, meine Interessen und Vorlieben haben sich verschoben aber auch Abneigungen verteidige ich mittlerweile vehement, auch fordere ich Zeit für mich ein. Vieles hat selbstverständlich damit zu tun, sich sehr intensiv mit dem Thema und vor allem den Möglichkeit, die beeinflusst werden können, auseinanderzusetzen. Aber auch mit einem neuen, selbstbestimmten Leben.

Ebenso auch Vorlieben, obwohl ich hier eher sage, ich kann heute zu Dingen stehen die ich bisher von anderen verheimlichen musste.

Zu der Vorliebe von Pink und Rosa und glitzerndem Metall-Schmuck darf ich nun ebenso stehen wie zu Dekoartikeln und Schnick-Schnack.

Generell denke ich, im Laufe des Lebens ändern sich die Interessen bei jedem, die Schwerpunkte in einer Ehe passen sich auch der jeweiligen Lebenssituation und dem Alter der Kinder an. Aus dem Schmetterlingsgefühl und der Zweisamkeit wurde über die Jahre Verbundenheit, Sicherheit und eine Familie mit zwei Kindern. Jedes Elternteil hatte seine Hobbys, seine Vorlieben, die entweder zurückgefahren oder in einer anderen Form zusammen mit den drei unternommen wurden. Aus Flugreisen wurden Individualreisen mit dem Auto, aus Hotels, Ferienwohnungen. Aus fernen Zielen wurde das Europäische Festland. Klar, andere können darauf nicht verzichten, für uns war es jedoch wichtig, innerhalb von einem halben Tag für eine gesicherte medizinischen Versorgung zurück nach Deutschland oder zumindest in die Schweiz zu gelangen. Und ganz ehrlich, gefehlt hat mir bei diesen Familienurlauben nichts, ganz im Gegenteil, ich konnte mich in weiblicher Kleidung in meiner fast schon zweiten Heimat im doch religiösen Italien zeigen, so wie es mir beliebte. Dort sind die Gesetze viel weiter wie bei uns, was eine Diskriminierung gar nicht erst aufkommen lässt. Dennoch ist mir bewusst, dass wenn es dort dann Probleme gäbe, es leider sehr oft hart endet, was die Statistik von Sterbefällen bei trans Menschen besagt. In 22 Jahren am selben Urlaubsort, hatte ich niemals ein Problem, erlebte auch nirgends Diskriminierung oder Ablehnung mit der einheimischen Bevölkerung und diese hatten auch nie ein Problem mit mir. Hingegen mit Urlaubern aus Deutschland und der Schweiz schon.

Was ist also das was in so vielen Köpfen steckt, warum automatisch bei diesem Weg an Trennung der Ehepaare jeder nachdenkt. SEX, genau über das was keiner öffentlich ausspricht, soll nun der Ankerpunkt in einer Beziehung sein. Mal ehrlich, ich wechsele das Geschlecht, nicht meine Ausrichtung. Dafür nehme ich Nachteile, Hürden und massenweise Diskriminierung in Kauf, von denen die meisten Menschen keine Ahnung haben, weil es in den Augen von manchen erzkonservativen vielleicht gerade Trend ist. Die richtige Aufklärung mit dem Thema auch in den Medien könnte Abhilfe schaffen. Ich bin diesen Schritt nicht gegangen, weil ich mir einen Vorteil erschleichen möchte, den es meiner Meinung nach sowieso als Frau noch immer nicht in diesem Land gibt. Ich gehe diesen Weg, weil ich es so schon immer fühlte, weil es schon immer da war, weil ich auf der Schippe des Todes stand.

Amerikanischen Untersuchungen zu Folge wird das, was manche als abnormal ansehen, bereits in der 7. Schwangerschaftswoche durch Hormonschwankungen der Mutter festgelegt. Also weiß ich das wirklich schon ganz lange, auch wenn ich die ersten zwei Jahrzehnte meines Lebens dieses Gefühl anders zu sein, wie es die Norm, das Elternhaus oder die Gesellschaft vorgibt nicht wirklich einordnen konnte. Spätestens mit dem Internet-Zeitalter und geprägt von Suchmaschinen wusste ich jedoch genau, was anders war. Warum also sollte sich der Bezug zu meinem Körper, meine Abneigung gegenüber einigen Körperteilen, zu Beginn oder im Laufe unserer Ehe geändert haben. Also ist für mich der Bezug zu Sex der selbe schlechte wie vor unserer Ehe, und hat sich über die Jahre kaum geändert. Und genau um diese drei Buchstaben machen sich bei meiner Transition so viele Menschen Gedanken, versuchen es darauf zu reduzieren. Warum weiß ich nicht, vielleicht weil es einfacher ist, als sich mit dem Thema Transidentität richtig und tiefgreifend auseinandersetzen.

Es war und ist für meine drei nicht leicht, das ist mir ganz bewusst. Ausgrenzung, herablassende Blicke und Sprüche müssen sie ohne es zu wollen, ohne etwas dagegen tun zu können, mittragen, das ist mir völlig bewußt. Anders herum ist es auch nicht immer für mich leicht Rücksicht darauf zu nehmen, damit alle zu den anstehenden Themen mitkommen. Ob Outing oder Hormonersatztherapie, Psychotherapie oder Logopädie, Stimmtherapie, Barthaarepilation und letztendlich GaOp oder Brustaufbau, da jeder seine eigenen Interessen in den Vordergrund stellt und sich zu wenig oder erst gar nicht informiert.

Gleichzeitig kann ich nun offiziell zu meinen Vorlieben für pinke und rosane Gegenstände stehen, schöne Schuhe, brauch weder Schminke noch Kleider verstecken.

Immer wieder mußte ich versuchen, daß alle mitkommen, das ist sehr mühsam und kraftraubend. Wer von ihren Freunden und Kollegen kann gleich eingeweiht werden, wer vielleicht erst später oder mit Vorsicht an das Thema geführt werden. Den vorgegebenen Weg der Eltern und der Gesellschaft habe ich komplett verlassen, und drehe mich auch nicht mehr danach um, habe damit abgeschlossen. Auf der Suche nach einem für mich stimmigen Weg muß ich nun ganz genau aufpassen, damit ich nicht wieder einen Weg einschlage, den ich so nicht gehen kann, der nicht mit meinen Vorstellungen und Werten übereinstimmt, der einem selbstbestimmten Leben im Wege steht. Denn der, der von meinen drei, hauptsächlich von den Kindern aber auch von dritten, vorgegeben oder als richtig aufgefasst wird, muß nicht zwangsläufig der richtige für mich sein. Jeder meiner drei hat eigene Interessen und Vorstellungen vom Leben, aufgrund des Alters, aufgrund ihrer Ausbildungen oder ihrer ehrenamtlichen Tätigkeiten, teilweise jedoch zu wenig Lebenserfahrung, zu wenige Informationen und Interesse zu den einzelnen Themen, eigene Sichtweisen, ein eigenes anderes Umfeld.

Dies deckt sich selten mit meinen Zukunftsplänen, was mich dazu zwingt, dagegen anzukämpfen, abzuwehren oder auf Durchzug zu stellen.

Es ist nicht immer ganz einfach, denn bedingt durch meine schlechte Verfassung Ende 2019, habe ich meine gesamte Verantwortung, die über 23 Jahre ausschließlich auf meinen Schultern gelastet hat, abgegeben.

Mein neues Leben braucht Platz, ich brauche Platz, um mich entfalten zu können. Im Badezimmer ist der nun mit meinem Sohn genauestens geteilt, mehr Platz im Schlafzimmer Schrank, Grossteile des Schuhschranks. Der Austausch von dem Wort „Papa“ zu Bella, das Abfinden zu einer gleichgeschlechtlichen Ehe, die Angst, da ich nun die selbe Konfektionsgröße wie meine Tochter habe und mich somit an ihren Klamotten bedienen könnte, (was anders herum nie ein Problem für sie darstellte). Ein eigener Rückzugsort im Haus, um Ruhe und Kraft zu tanken. All dies sind Punkte, die meine drei mitmachen, mitwachsen, mittragen müssen, oft ob sie wollen oder nicht.

Dennoch stehe ich bei jedem Zwangsouting ob bei Ärzten oder Behörden alleine da, keiner kam jemals auf die Idee mich zu einem Termin zu begleiten. Ich muss diese herablassenden, erklärenden Situationen, alleine hinter mich bringen. Sobald meine neue Krankenkassenkarte eingelesen wird habe ich ein Zwangsouting und muss mich erklären. Oft kann das nicht diskret geschehen, denn hier zumindest ist der Empfang bei allen meinen Ärzten mitten im Wartezimmer. Klar, irrsinnige Corona-Maßnahmen verbieten es teilweise, daß ich einen Termin zu zweit wahrnehmen darf, aber bis zum Wartezimmer wäre es überall problemlos gegangen, auch bei den Gutachten. Ich denke es hat auch viel damit zu tun, dass sie sich nicht in diese Situationen hinein fühlen wollen oder können, Vorstellungskraft fehlt, trotz meiner mehrfachen Erfahrung die ich zu Hause kund gebe, wie entwürdigend die Situation für mich war. Also begleitet werde ich dabei definitiv nicht, von niemandem, auch von meinen drei nicht.

Deshalb versuche ich bei Ärzten oder Dienstleistern das zu umgehen, bei denen ich früher „Kunde“ war, statt mich genauestens beim Erstbesuch als Frau bis ins Detail erklären zu müssen, ist es für mich einfacher und entspannter etwas neues zu suchen, neue Bank- und Kundenkonten zu eröffnen, neue Ärzte in Gegenden suchen, in denen es mehr Sichtbarkeit von Menschen wie mir gibt, es mehr junge Menschen gibt, die nicht ganz so erzkonservativ sind wie diese verbohrte Kleinstadt.

Da mein Selbstbewusstsein noch immer nicht ganz zurück gekehrt ist, meide ich oft Orte, an denen ich mich zu beobachtet fühle, an denen jeder zweite den Kopf nach mir umdreht, hinterrücks getuschelt wird. Es verletzt mich zu sehr, denn eigentlich tu ich absolut alles in meiner Macht stehende, meinen Körper und Aussehen anzupassen. Die Corona-Maßnahmen helfen mir hier dabei, es gibt in der Kleinstadt keine großen Menschenansammlungen, keine privaten Treffen und auch keine Fanclub-Ausfahrten zu Fußballspielen. Da der wöchentliche Einkauf bisher oft bereits ein Spießrutenlauf war, habe ich die Innenstadt einer schwarz regierten Kleinstadt ebenso gemieden, wie das konservative nördliche Bodensee-Ufer. Auch das hatte somit wieder Einfluß auf meine drei, denn die gemeinsamen Freizeit-Aktivitäten finden nun überwiegend dort statt, wo die Leute offener mit den Themen der Regenbogenfahne umgehen können und wollen.

Jedoch sind sie nur noch selten bei Ausflügen dabei, sie sind schließlich Erwachsene, haben andere Interessen und auch Dienstpläne.

Wenn ich heute, so wie ich gerade bin mir vorstelle, in die Südkurve nach München zu müssen, wird mir Angst und bange, obwohl ich diesen Ort sehr liebe, es eine besondere Atmosphäre ist, es einer der wenigen Ausflüge war, wo wir zu viert gemeinsam unterwegs waren.

Auch wenn sich viele Konzerne oder Vereine die Regenbogen-Fahne aufs Revers packen, ist noch lange nicht gesagt, ob sie wirklich dazu Stellung beziehen oder es nur zu Marketingzwecken oder Image aufpolieren verwenden. Bestes Beispiel hierfür ist der größte deutsche Autobauer, der im Herbst 2020 es in einer Werbekampagne verwendete, seit dem ist nichts mehr darüber zu lesen, ebenso beim DFB, der zwar mittlerweile eine Person dafür eingestellt hat, aber auch hier hört und vor allem sieht man nichts. Noch schlimmer die SPD, die am IDAHOBIT2021 große Töne von Solidarität und Gleichberechtigung spuckt, zwei Tage später komplett gegen ein Selbstbestimmungsgesetz im Bundestag abstimmt.

All dies trägt dazu bei, daß jeder von uns vier immer wieder zu dem Thema Stellung beziehen muss, es manchmal zu oft zum Hauptthema in Gesprächen wird, was meine Kinder nicht so wollen, wieso ich mich dann aus der Situation zurückziehe oder sie im Vorfeld erst gar nicht aufkommen lasse.

Ganz klar, ich verstecke mich nicht mehr, gehe wenn möglich jedoch unliebsamen Situationen aus dem Weg und stehe nun bei Bekannten eher im Rampenlicht, was mir selber ehrlich gesagt, auch manchmal gut tut. Ich beantworte sehr gerne Fragen zum Thema unter Freunden oder freundlichen, nachfragenden Personen, denn die breite Masse hat nach wie vor nur eine kleine Ahnung oder gar falsche Vorstellungen und weiß nicht, was man alles wegen deutschen Gesetzen und rechtlichen Vorgaben durch Behörden, Kranken- und Rentenversicherung, Banken und Institutionen auf sich nehmen muss, um endlich leben zu dürfen, wie man sich schon immer fühlte.

Also gibt es auch hier wieder keine Auszeit von diesem Thema, was für alle drei, aber auch für mich, manchmal sehr belastend ist.

Vielleicht erwarte ich zu viel von ihnen, gleichzeitig sind die Erwartungen von ihnen an mich nach wie vor hoch. Der Papa, der springt wenn etwas quer in den Gedärmen liegt, der seine Interessen kontinuierlich hinter andere zurück stellt, der nur aus Rücksicht Dinge nicht tut, auf persönliche Dinge verzichtet, den gibt es einfach nicht mehr. Weder den Begriff noch die Person existieren weiter. Wenn die Kinder etwas wollen, muss es sofort sein, wenn ich sie um Erledigung von Aufgaben oder Hilfe bitte, muss ich das entweder unendlich oft tun, oder mach es irgendwann selber wenn es mich dann stark nervt. Oft heißt es auch, komm ich helfe dir dabei oder lass dir helfen. Dabei wird ein Anfang gemacht, dann aber stark nachgelassen, so daß ich es schlußendlich doch selber erledigen muss. Ob ein Treffen mit dem Freund*in oder was auch immer, ich gehe wieder alleine durch die Situationen. Patientenverfügung, wichtig für eventuelle anstehende OP’s. Immer heißt es ich helfe dir. Ein Anfang wird gemacht, dann ist Ruhe im Wald. Bis heute müsste ich warten, denn „nächsten Sonntag machen wir es fertig“ ist eben irgendwann, aber nicht nächsten Sonntag. Konsequenterweise erledige ich es dann selber, dann weiß ich, dass es richtig gemacht ist, ich keinen Kniefall machen muss und es mir vor allem nicht ewig vorgehalten oder unter die Nase gerieben wird. Aus diesem Grunde gehe ich neue Dinge nun ganz alleine an, auch wenn sie mich körperlich überlasten, ich es nicht auf einmal bewerkstelligen kann.

Ich möchte mich nicht über die Interessen der drei stellen, fordere aber konsequenter als je zuvor, auch zu Hause, meine Gleichberechtigung ein, Selbstbestimmung über mein Handeln und über meinen Körper, letztlich auch über meinen zukünftigen Weg.

Gleichzeitig kümmere mich nach wie vor um Haus, Garten, Fahrzeuge und täglich frisch gebackenes, auch im Haushalt bringe ich mich oft ein, werde ihn demnächst sogar komplett führen. Auch interessiere ich mich für die Ausbildungen und Themen der Kinder und Frau, anders herum wird es nur zur Notiz genommen. Ich bin weiterhin, jederzeit, in jeder Notsituation für sie da, helfe auch wenn ich gefragt werde wo ich kann, aber den Kasper, der springt wenn’s schreit spiele ich eben nicht mehr, denn auch ich habe ein Leben. Im Gegensatz dazu muss ich meine Kinder 100 mal erinnern, dies oder das endlich zu erledigen, solange in ihren Ohren zu liegen bis es dann Wochen später endlich erledigt ist, es sei denn, es geht mir so auf den Zeiger, bis ich es schlußendlich genervt und gefrustet selber tu.

Viele warnten mich im Vorfeld, ob trans Menschen oder Ärzte, der Weg mit Familie ist immens schwerer, wie er eh schon ist. Heute muss ich Ihnen recht geben.

Auf meinem Weg zu mir selbst, in ein befreites, selbstbestimmtes Leben, stosse ich auch zu Hause dauernd auf Unverständnis, muss mich rechtfertigen und erklären. Der Weg als Familie ist tatsächlich sehr schwer, dem gegenüber steht die Geborgenheit und vertraute Umgebung.

Meine Frau ist die Liebe meines Lebens, früher wie heute, wir können uns stets blind aufeinander verlassen, der eine gleicht die Schwächen des anderen aus, ohne dass es vieler Worte bedarf. Auch kann man durch den langen gemeinsamen Weg so einiges verzeihen, aber eben nicht alles. Durch mein verändertes Körpergefühl und auch durch meine optische Veränderung, die immer mehr dem weiblichen Rollenbild entsprechen sowie auch unserem System kann ich sogar aktuell behaupten, es fühlt sich bei mir an, wie frisch verliebt.

Es ist schon ähnlich wie in der Pubertät, man lernt neues, experimentiert mit Schminke, Kleidung, Stimme, der Körper reagiert anders, und als Heimwerkerin eher schlecht, die Haut ist weicher und empfindlicher.

Auch das Verhältnis von den Kindern hat sich drastisch verschoben, so treten sie nun ausschließlich als Anwälte meiner doch bereits starken Frau auf. Heißt im Klartext für mich, ich muss mich nun auch gegen meine Kinder durchsetzen, klare unmissverständlich Grenzen ziehen, die jedoch selten, vielleicht auch aufgrund ihres Alters, nicht akzeptiert werden. Wenn meine Frau und ich uns streiten, ist immer jemand an Ihrer Seite um sie zu verteidigen, ich stehe hier also wieder alleine da, muss gegen mehr als eine Person ankämpfen und mich stetig verteidigen.

Gleichwohl es für sie wie für mich selbstverständlich ist, daß ich die Privatsphäre der Kinder respektiere, anders herum gilt das scheinbar nicht. Ob ich morgens ungestört duschen und mich schminken will oder abends Zeit zum Runterkommen, Gymnastik und Logopädieübungen brauche, es wird nicht respektiert und immer ein Grund gefunden, mich dabei zu stören, weil eigene Interessen wichtiger sind. Ob es die vergessene Haarbürste im Bad ist, oder ein anstehender, jedoch noch nicht spruchreifer Autokauf ist, ich brauch den Fernseher etc. Und hier sieht man klar, wessen Interessen höhere Prioritäten haben, wer eigentlich egoistisch handelt obwohl es kontinuierlich mir vorgeworfen wird.

Oft fehlt mir die Kraft, aber auch das Verständnis, warum nun wieder dieses oder jenes wichtiger ist als ich, als mein Interesse, als meine Intim- und Privatsphäre.

Das starke Familienoberhaupt ist ebenso Geschichte wie der Fels in der Brandung und der Haupt-Brötchenverdiener. Bedingt durch das „System“ mit meiner Frau hat sie nicht nur mehr Verantwortung sondern auch mehr Macht oder Einfluss auf mich, was mir gut tut, wo ich mich fallen und absolut darauf verlassen kann. Auch das müssen die Kinder lernen und begreifen, denn obwohl sie beide erwachsen sind, ist das Verhältnis zur Mutter schon immer sehr gut gewesen, durch meine Veränderung sogar noch enger geworden, was gleichzeitig bei mir das Gegenteil bedeutet. Deshalb gibt es aber auch Dinge, die meine Frau darf, meine Kinder nicht, erst recht jemand anderes nicht. Beispiele: Haare, wenn sie eines meiner Kinder anfasst, ist das höchst unangenehm für mich, wieso sie es beide nicht dürfen. Mein Frau hingegen schon, da sie es auch auf eine andere Art und Weise macht, eher liebevoll. Umarmungen, dürfen mich meine Kinder schon, jedoch bis auf ganz wenige Ausnahmen (drei/vier Allgäuer😝) kein anderer Mensch. Auch keine xy Freundin meiner Frau. In der Vergangenheit habe ich es zähneknirschend über mich ergehen lassen, Küsschen da Küsschen dort, heute, in einem selbstbestimmten Leben, mit einem selbstbestimmten Körper, lehne ich es absolut ab. Auch das ist so eine Veränderung, der Bezug zu meinem Körper, der sich geändert hat, er immer mehr eine weibliche Form annimmt, den ich immer mehr akzeptiere und weil nur ich alleine darüber bestimme, denn es ist MEIN Körper.

Wie oben erwähnt, es ändert sich nicht alles, aber sehr vieles. Auch nicht schlagartig, aber stetig und fortwährend. Von uns vier hat jede*r seine eine eigene Auffassung vom Leben, der Zukunft und einen anderen Umgang mit Themen.

Ich habe oft das Gefühl, ich muss 46 Jahre aufholen, nun wirklich unabhängig und selbstbestimmt die Zukunft zu gestalten, am besten im Einklang mit meiner Frau. Hier gilt es auch, die Liebe komplett neu zu entdecken, sich mit Gleichgeschlechtlichkeit anzufreunden, neue Gemeinsamkeiten und Vorlieben zu finden, Rückzugszeit für sich selber zu respektieren. Das ist auch in einer Partnerschaft nicht immer einfach somit entstehen oft Reibungspunkte, Vorwürfe, Unterstellungen, denen ich, bedingt durch meine unschöne Kindheit, im Streitmoment nichts entgegen zu setzen habe, es über mich ergehen lasse. Eben wie damals, als ich als Kind von meinem Erzeuger verdroschen, niedergemacht oder gedemütigt wurde.

Von nun wird meine Frau und ich von der Öffentlichkeit im einem anderen Licht angesehen als zuvor. Als gleichgeschlechtliches Paar ist es somit auch ein neuer Weg, man bekommt andere, nicht immer bessere Aufmerksamkeit.

Sich damit anzufreunden gelingt mal mir schneller, das andere mal ihr.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert